Menschen des Buches leben gefährlich – buchstäblich!

Liebe Lesende unseres Blogges,

„Bibelmenschen“ sind Menschen des Wortes. Bibelmenschen sind – zwangsläufig – auch Menschen des Buches. Wahrscheinlich geht es den meisten so wie mir. Mit der Zeit werden die Bücher immer mehr: Bibeln, Fachliteratur, Hand-, Arbeits- und Methodenbücher. Ordner mit Vorträgen, Seminaren, etc. Da kann man schon mal schnell den Überblick verlieren, über das, was da alles an Schätzen im Schrank steht. Hin und wieder zieht man, auf der Suche nach einem bestimmten Buch, ein anderes aus dem Regal und stellt fest, dass man sich gar nicht mehr erinnern kann, es zu besitzen. Umso größer die Freude, wenn man es findet. Dem Schreiber dieser Zeilen geht es ähnlich. Das häusliche Arbeitszimmer gleicht mehr einer Bibliothek. Die Regale waren so gestellt, dass sie sich einerseits an den Wänden entlangzogen und andererseits an einer Stelle zugleich wie ein T in den Raum hineinragten. Da mit der Zeit aber diese Regale immer mehr Platz eingenommen haben und teils schon fast kein Durchkommen mehr war, stand ein Um-, Auf- und auch Wegräumen dringend auf der Tagesordnung. Gesagt getan. Fleißig wurden Regale ausgeräumt, dabei die Bücher und Materialien gesichtet und säuberlich gestapelt. Bis, ja bis, mir im Eifer des Sortierens auffiel, dass hier irgendwas nicht stimmen kann; denn, während ich ruhig stand, bewegte sich – zunächst ganz langsam – das Regal von mir weg. Dann nahm sich die Schwerkraft ihr Recht und das komplette T-Stück fiel in den Raum hinein. Das Chaos kann man nicht beschreiben – man muss es sich ansehen:

Nach dem der erste Schockmoment vorüber war begann die Überlegung, wie jetzt weiter. Zunächst wurden mit Frau und Tochter Kisten organisiert und die Bücher stapelweise hinausgetragen, so dass ein Begehen des Raumes möglich wurde. Danach untersuchte ich die Regale – Totalschaden. Gut, dass noch einige ungenutzt im Keller standen, so dass in einem nächsten Schritt ein Neuaufbau begonnen werden konnte. Das einzig Positive an der Situation war dabei tatsächlich, dass ich gezwungen war jedes einzelne Buch mindestens zweimal in die Hand zu nehmen – beim Chaos bereinigen, und später wieder beim neu Einräumen, so dass auch aussortiert werden konnte. Teils wurden Bücher entdeckt, die seit dem Einzug in der Wohnung nicht mehr bewegt, geschweige denn benutzt worden sind. Teils haben einige Bücher den Zusammenbruch nicht überlebt. So sehr ich auch ein Mensch des Buches bin – es war an der Zeit mich von einigen zu trennen. Manche waren theologisch nicht nur überholt, sondern quasi von einem anderen Stern. Andere – speziell Materialien und Methodenbücher – hatten den Charme der Jahrtausendwende und waren für heutige Leser nicht mehr wirklich geeignet. So kam es, dass ich einen Tag später bereits mehrere Kisten für den Wertstoffhof gefüllt hatte und zugleich erste Regale wieder begannen sich zu füllen. Aber erst ein Besuch in einem bekannten schwedischen Möbelhaus hat dazu geführt, dass der Boden endgültig von Bücherstapeln befreit werden konnte und ein gefahrloser Weg von der Zimmertür zum Schreibtisch möglich wurde.

Der Erkenntnisgewinn der vergangenen Tage ist enorm: Es ist nicht klug beim Abbau von Bücherwänden zunächst den tragenden Teil abzubauen. Ich weiß jetzt, dass ich mit der Anzahl meiner Einheitsübersetzungen zwei komplette Schulklassen ausrüsten kann und zugleich noch genug übrig habe um selber weiterzuarbeiten. Einen Abend lang Bücher herumheben erspart den Besuch im Fitnessstudio. Und, dank der Entsorgungsaktion, hat sich der sichtbare Fußboden deutlich vergrößert.

In gewisser Weise hat sich der Schockmoment des Zusammenbruchs so noch in einen Gewinn verwandelt – wenn, ja, wenn nicht eigentlich noch eine Predigt fertig werden müsste, ein Vortrag für kommenden Montag geschrieben werden will und eine Abgabefrist für den Verlag Mitte des Monats mir im Nacken sitzt. Aber wann, wenn nicht in stressigen Momenten, passieren schon solche Super-GAUs.

Nun sitze ich an meinem Schreibtisch und sehe tatsächlich Lücken in den Regalen. Gut, dass ich als Büchermensch Koh 12,12b kenne. Da wird mir nicht Bange.

Daniel Pomm, Diözesanleiter Erfurt